This text is also available in:
English
Español
In dieser Woche schauen wir uns an, welche Bedeutung die Drei Ursprünge (San Gen) im Körper haben, wie sie funktionieren und wie wir anfangen können, aus ihnen Aiki entstehen zu lassen. Wie zuvor bereits festgestellt sind die Drei Ursprünge:
– Himmel = Schwerkraft – Abwärts gerichtete Kraft
– Erde = Kraft der Festigkeit – Aufwärts gerichtete Kraft
– Mensch = Kraft der Absicht – Nutzbarmachung
Diese Kräfte werden als GROSSE Kräfte angesehen, und wenn man darüber nachdenkt, sind sie, selbst aus unserer Perspektive des 21. Jahrhunderts, grundlegende, fundamentale und ursprüngliche Kräfte, die immer noch gleichermaßen relevant sind wie zu der Zeit, als sie zum ersten Mal gedacht wurden.
Für unsere unmittelbaren Zwecke wollen wir uns ansehen, wie wir mit Hilfe dieser Kräfte, Aiki 2 (monoaxiale kreisförmige Rotation, erzeugt durch Ten,Chi,Jin) in unserem Körper erzeugen können. Vergangene Woche habe ich erklärt, wie wir damit beginnen, Aiki 1 (lineare, gemeinsam entstehende, gegensätzliche Kräfte, die von Ten, Chi, Jin erzeugt werden) in unseren Körpern zu erzeugen. Genau genommen, war das der Anfang unserer Nutzung von Ten, Chi, Jin, denn ohne sie hätten wir nicht tun können, was wir getan haben.
Wir haben die Schwerkraft (Himmel) genutzt und von ihr unsere Gewebe und Knochen zur Erdoberfläche ziehen lassen. Wir haben die Festigkeit der Erde genutzt, eine Gegenkraft zu erzeugen, vermittelt durch unsere Knochen, so dass unsere Gewebe in Spannung hängen können. Dieser Zustand des dynamischen Gleichgewichts von Spannung im Gewebe und Kompression in den Knochen wurde durch den gezielten Einsatz von (der Kraft der) Absicht (Mensch) geschaffen und aufrechterhalten. Wir sehen, dass diese drei (San) Kräfte der Ursprung (Gen) von Aiki 1 waren.
In dieser Wochen gehen wir einen Schritt weiter. Wir werden die Drei Ursprünge (San Gen) nutzen um Aiki 2 zu schaffen. Falls es euch noch nicht aufgefallen ist: San Gen ist die Quelle allen Aiki. Wir fangen zuerst mit der Theorie an und gehen dann weiter zu einem einfachen Beispiel, wie Aiki 2 im Körper geschaffen wird.
Theorie der Erzeugung von Aiki 2 im Körper:
Zuerst nehmen wir die Aiki 1 Linie, die wir vergangene Woche geschaffen haben und erzeugen zwei gleich große, entgegengesetzte Kräfte im rechten Winkel zur ursprünglichen Linie.
Die letzte Woche geschaffene Linie beginnt nun um eine zentrale Achse zu rotieren. Die Enden der Linie bewegen sich dabei bogenförmig und treffen nach 180° zusammen, wobei ein Kreis entsteht. Voila! Aiki 2, so etwa.
Viel besser wäre natürlich, wenn die Linie so etwas wie eine Speiche eines Rades wäre, das um seine zentrale Achse rotiert. Dann würde jeder linearen Kraft, die auf die Kante des Rades trifft, orthogonal begegenet, was zu einem resultierenden Kraftvektor führt.
Beginn der Erzeugung von Aiki 2 im Körper:
Also, machen wir das in unseren Körpern! Wir werden in drei Aiki 1 Linien rotieren: eine Linie vom Scheitel bis zum Perineum, eine Linie entlang der Oberschenkel und eine Linie entlang der Unterschenkel.
Das kann am Anfang eine ziemliche Herausforderung sein. Mein Freund, Trainingspartner und Schüler Robert Roeser (er lebt in Nordkalifornien, und wenn ihr Gelegenheit bekommen solltet, mit ihm zu trainieren, dann kann ich das nur empfehlen!) hat eine Übung aus dem Gewichtheben entliehen (Powerlifting nach Louie Simmons Westside Methode). Sie heißt “Box Squat”.

Normalerweise würden wir unsere Knie nicht so weit nach vorne bringen wie in diesem Beispiel. Die Knie sollten nicht über die Zehen hinaus gehen, dabei sollten sie immer möglichst in einer Linie bleiben.
Ich WEISS was ihr jetzt denkt! (Meine mächtigen Aiki-Kräfte lassen mich eure kümmerlichen kleinen sterblichen Gedanken lesen! Muahaha!) Aber nein! Ihr irrt euch, wenn ihr denkt, dass wir in die Hocke gehen, um Kraft aufzubauen, so wie es alle machen. Wenn das so wäre, würde Robert immer noch 150 Kilo wiegen und Krafttraining machen. Zum Glück (für sein Herz) ist er nicht mehr so schwer, und er macht auch seit vielen Jahren kein Krafttraining mehr. ABER er hat tatsächlich mehr Kraft gewonnen (Kraft = Arbeit/Zeit), sehr zur Überraschung seiner Powerlifting-Freunde!
Und so geht es: ihr stellt euch aufrecht vor eine Kiste oder Bank, die geeignet, ist euer Gewicht zu tragen, und die etwa um die Länge eurer Oberschenkel hinter euch steht. Jetzt streckt ihr euren Hintern zurück, ohne die Schienbeine sich nach vorne bewegen zu lassen, … weit zurück, ungemütlich weit zurück. Eure Schultern sollten senkrecht in einer Linie über euren Knien bleiben. Ihr werdet auf eurem Hintern auf der Bank landen mit euren Oberschenkeln in etwa parallel.
Dies erfordert einiges an Übung. Wenn ihr es für einfach haltet, macht ihr es mit Sicherheit falsch. Probiert es aus. Ein Übungspartner kann aufpassen, dass ihr die Kiste/Bank nicht verfehlt, und er kann überhaupt auf eure Haltung, insbesondere die Knie achten.
Um wieder hoch zu kommen, kehrt die Bewegung einfach um. Wir verlagern unsere Masse, und die Kräfte, die die initiale Rotation erzeugt haben, wechseln die Richtung, so dass wir “nach oben fallen”. Lehnt euch NICHT nach vorne und erzeugt dadurch eine lineare Kraft in den Boden. Die Versuchung ist groß. Aber das ist dann nicht Aiki, sondern einfach eine “normale” Hocke.

Es besteht keine Notwendigkeit, schwer zu heben. Vergesst nicht, dass wir nicht an Kontraktion arbeiten. Wir wollen nur auf eine bestimmte Weise mit unserer Masse umgehen.
Diese Übung macht drei hilfreiche Dinge. 1) Da sie den Antriebsstrang auf der Rückseite des Körpers anspricht, der üblicherweise eher unterentwickelt ist, während er potenziell am stärksten ist (einschließlich des Psoas, auf den wir in einem späteren Blog zu sprechen kommen), bewirkt sie, diesen Bereich zu entwickeln. Damit nimmt die Fähigkeit zu, die eigene Masse durch eine ausgeglichene Spannung zu halten. 2) Die Linie der Wirbelsäule, der Oberschenkel und der Unterschenkel, rotiert um einen zentralen Achspunkt, wodurch Aiki #2 entsteht (was zu Aiki #3 führt). 3) Die Bewegung erfordert, das Gewebe im Bereich der Leistenfalte (oder “Kua”, dort wo der Oberschenkelkopf auf das Becken trifft) zu entspannen. Es ist wichtig, diesen Bereich einerseits zu kräftigen (die Fähigkeit des Gewebes zu erhöhen, Masse durch Spannung zu halten), und gleichzeitig seinen Bewegungsumfang zu vergrößern und die Kontraktion des Gewebes in diesem Bereich so weit wie möglich zu verringern, damit die Kraft ungehindert von den Beinen zum Brustkorb und umgekehrt übertragen werden kann. Eine bloße Kräftigung ist für unsere Zwecke nicht nützlich, genausowenig wie eine bloße Vergrößerung des Bewegungsumfangs. Was wir suchen ist ein Gleichgewicht aus Kraft (durch Spannung) und Bewegungsumfang.
Okay? Macht das möglichst oft, über einen großen Zeitraum und ihr werdet es nicht bereuen. Und denkt immer daran, was Sagawa sagte: “Man kann immer weniger machen!”
Ich möchte zu Shi Kon kommen, aber vorher will ich die Dinge noch etwas beleben!
In der nächsten Woche werden wir sehen, wie wir unsere beginnenden Fähigkeiten bezüglich Aiki 1 und Aiki 2 testen und messen können.
Der Titel des nächsten Blogs lautet “Wenn eins zum anderen kommt!”
Öffentliche Bekanntmachung: Ich wurde darauf hingewiesen, dass einige meiner Blogbeiträge etwas zu lang und zu dicht waren. Für diejenigen, die mich kennen, ist das nicht überraschend. Ich neige dazu, von still zu langatmig und von einsilbig zu abstrus komplex zu wechseln. Ich versuche immer, eine Balance zu finden zwischen ansprechender Lektüre und sinnvollem Inhalt.
Diejenigen, die in erster Linie an Inhalt und Bedeutung interessiert sind, sollten sich klar machen, dass ich mit einem größeren Spannungsbogen schreibe. Auch wenn das, was ich schreibe, zunächst nicht so allumfassend ist, wie manche sich das wünschen, wird es sich doch letztendlich zu einem Ganzen zusammenfügen. Ich werde seit Jahrzehnten darum gebeten, ein Buch oder mehr über all die Themen zu schreiben, die ich behandeln möchte, und ich bin immer davon ausgegangen, dass ich nach meiner Pensionierung dazu kommen würde. Aber da wie alle anderen auch nicht weiß, wieviel Zeit mir auf dieser Welt vergönnt ist, ist es vielleicht keine schlechte Idee, schon einmal damit zu beginnen, meine Ansichten zu teilen. Vielleicht wird aus diesen Blogs ja einmal ein Buch. Jedenfalls hoffe ich, dass ich das Wissen, das mir vermittelt wurde, weitergeben kann, bevor ich mich endgültig verbeuge.
Diejenigen, denen eine kürzere und beiläufigere Lektüre lieber ist, können natürlich nach eigenem Geschmack entspannter über mein Geschriebenes drüber gehen. Ich möchte euch aber dazu ermutigen, über das Gelesene nachzudenken. Betrachtet meine Worte nicht als der Wahrheit letzten Schluss. Probiert selber aus, experimentiert, beobachtet, zieht eure eigenen Schlüsse und versetzt euch in die Lage, sie zu verteidigen (zu wissen, warum ihr denkt und tut was ihr tut). Und immer mal wieder, kommt zurück und lest das Gelesene erneut, um zu sehen, ob sich euer Verständnis geändert hat. Ich hoffe sehr, dass es das tut, denn Fortschritt IST Veränderung.
Und schließlich, stellt Fragen, wenn ihr welche habt. Fragen sind kein Zeichen von Unwissenheit. Fragen sind die Anzeichen eines denkenden und wissbegierigen Geistes. Vielleicht kann ich eure Fragen zu eurer Zufriedenheit beantworten, vielleicht aber auch nicht. In jedem Fall werden wir unser beider Intellekt bemühen und trainieren, und das ist ja auch gar nicht so schlecht.
Allen Dean Beebe
0 Comments